Die Rechenmaschine CURTA - Mechanik in vollendeter Form - Peter Kradolfer (8/12)

Die CURTA und ihr Erfinder Curt Herzstark ~ Peter Kradolfer


Abb. 14: Detail des Schnittmodells einer CURTA I. Zu sehen ist rechts oben ein Teil des Resultatzählwerks mit dem Federstern, der auf Stahlkugeln von nur 2 mm Durchmesser drückt und dadurch das Überschleudern verhindert Darunter sichtbar sind zwei Kronenrädchen, die am oberen Ende der Treibelemente sitzen. Dieser Winkeltrieb arbeitet als Untersetzung, die in der Patentschrift geschützt wird.


Damit ist klar geworden, was mit der in der zitierten Patentschrift genannten «vergrösserten Dauer der Einwirkung der Staffelwalze auf die Einstellrädchen» gemeint ist. Für die Übertragung einer Neun dreht sich damit das aus der Achse, dem Einstellrädchen, Zehnerschalträdchen und Kronenrädchen bestehende Treibelement fast um zwei volle Umdrehungen. Bild 15 zeigt die beschriebenen Einzelheiten.

 


Abb. 15: Fünf Zahlenrollen mit einem Rundwagen von unten (links im Bild). Darüber eine Zehnerglocke für die 11-stellige (oben links) und die 15-stellige (oben rechts) Maschine. Rechts im Bilde ist eine Löscherkappe zu sehen.




Wie bereits gesagt, gab es neben den beiden deutschen Hauptpatenten eine Menge Zusatzpatente in Deutschland und der übrigen Welt. Stellvertretend für sie alle gebe ich noch den Patentanspruch des bedeutend jüngeren Schweizer-Patents aus dem Jahre 1950 auszugsweise wieder: «Rechenmaschine für alle vier Rechenarten mit nur einer Staffelwalze und um diese im Kreise herum angeordneten Schalt- und Zählwerkgliedern, dadurch gekennzeichnet, dass Einstellrädchen und Zehnerschalträdchen mit je fünf Zähnen vorgesehen sind und in den Antrieb zwischen Einstellrädchen und Ziffernrolle eine Untersetzung eingeschaltet ist, das Ganze derart, dass die Ziffernrollen je Zahn der Staffelwalze einen Zehntel einer vollen Umdrehung ausführen». Daran anschliessend folgen 9 (!) Unteransprüche.

Veränderungen konstruktiver Merkmale
der CURTA

Durch Vergleiche verschiedener, noch existierender CURTA-Modelle lässt sich feststellen, dass die CURTA über Jahrzehnte hinweg nahezu gleich gebaut worden ist. Es wurden während all der Jahre (1947 bis 1972) auch nur zwei Modelle, die 11-steilige CURTA I und die 15-steilige CURTA II gebaut. Ein 20-stelliges Modell ist nicht über Prototypen hinausgekommen. Dagegen ist beispielsweise von der berühmten deutschen Rechenmaschine MERCEDES-EUKLID zwischen 1930 und 1935 die stattliche Zahl von 21(!) Modellen auf den Markt gekommen17.
Bei der CURTA, ich beschränke mich hier auf die CURTA I, fällt es in der Tat schwer, überhaupt konstruktive Unterschiede auszumachen. Und doch gibt es welche. Ich gehe auf die Veränderungen der Schutzhülse, der Einstellgriffe, des Löscherhebels und der Antriebskurbel ein.



Abb. 16: Prototyp der CURTA, noch als «CONTINA» bezeichnet, mit Lederhülse.


Schutzhülse

Bei frühen Modellen wird der Deckel mit einem normalen Rechtsgewinde aufgeschraubt. Bei späten Modellen dagegen mit Linksgewinde. Ich habe Curt Herzstark gefragt, weshalb das geändert wurde. Hier seine Antwort:
«Beim Zudrehen des Deckels konnte es schon mal vorkommen, dass die Kurbel etwas nach rechts mitgedreht wurde. Das bewirkte, dass die Maschine nicht mehr rechenklar gemacht werden konnte. Verschiedene Sperrvorrichtungen verhinderten dies. Man musste zum Löschen dieser Sperren die Kurbel weiterdrehen bis sie wieder in Ruhelage war. Das war nicht nur umständlich, sondern auch ärgerlich. Durch das Linksgewinde wurde diese Störungsquelle behoben - die Kurbel lässt sich überhaupt nicht nach links drehen». Tatsächlich, es gelingt, durch eine kleine Drehung der Kurbel die weitere Bedienung der Maschine zu blockieren. Die eigentliche Aufgabe der bei solchen Manipulationen wirkenden Sperren liegt in der Verhinderung von Fehlbedienungen. Verschiedene Sperrvorrichtungen waren wegen ihrer grossen Bedeutung bereits recht früh durch Patente geschützt.
Curt Herzstark erzählte mir über die Schutzhülse eine weitere nette Geschichte. Anlässlich eines Besuches in der Contina AG brachte Prinz Heinrich von Liechtenstein eine lederne Schutzhülse mit, die er eigens für die CURTA machen liess. «Eine so feine Maschine muss auch weich gebettet werden, die Blechhülse ist dazu viel zu starr» meinte er. Direktor Herzstark wollte sich die Sache näher ansehen.



17 Ein Überblick findet sich in (Martin, p.433 ff); die Mercedes Euklid ist eine Vierspeziesmaschine mit Proportionalhebelantrieb und eine der vielen Konstruktionen von Chr. Hamann, Berlin


© Peter Kradolfer 1993
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