Die Rechenmaschine CURTA - Mechanik in vollendeter Form - Peter Kradolfer (12/12)

Die CURTA und ihr Erfinder Curt Herzstark ~ Peter Kradolfer


Abb. 26: Zwei CURTA Type 1.

Links als offenes Vorführmodell, rechts als Schnittmodell. Das Schnittmodell (Type 2) diente als Vorlage für die Servicehandbücher. Schnittmodelle sind nur einige wenige hergestellt worden. Davon ist dem Autor nur ein einziges Exemplar bekannt. Wer kennt den Standort weiterer Exemplare?


CONTINA AG versuchte deshalb über Inserate in Schweizer Zeitungen Mechaniker zu gewinnen. Auf ein solches Inserat in der Neuen Zürcher Zeitung meldete sich Hans Künzli. Beim Einstellungsgespräch sagte man ihm, er könne seine Frau gerade mitbringen - die Firma brauche auch eine Sekretärin. So kam es, dass Hans und Paula Künzli zwei der ersten vier Mitarbeiter der CONTINA AG waren und die Pionierjahre ganz wesentlich mitgestaltet haben.

Frau Künzli, welche Erlebnisse aus dieser Pionierzeit sind Ihnen noch gegenwärtig?

Frau Künzli: «Der Beginn am 1. April 1947 mit hochfliegenden Plänen und der dazu im Kontrast stehenden Wirklichkeit: Die Produktionsaufnahme fand im Saal des Hotels Hirschen in Mauren statt, wir waren im Ganzen vier Personen. Dann kam eine schöne Zeit - der Aufschwung bis ins Jahr 1951, als es zum Bruch zwischen der Finanzgesellschaft und Curt Herzstark kam. Es war um Ostern 1951. Eines schönen morgens erklärte mir der Postmeister, er dürfe mir die Post nicht mehr aushändigen, Herr Herzstark habe Betriebsverbot, er dürfe die Fabrik nicht mehr betreten. Begreiflicherweise fiel ich aus allen Wolken. Zwar hatte ich früher schon den Eindruck, die Finanzgesellschaft würde unserem Direktor Curt Herzstark mehr Schwierigkeiten machen als Unterstützung geben. Aber dass es soweit kommen sollte, das hatte ich nicht erwartet».



Abb. 27: Präsentation der CURTA an der schweizerischen Mustermesse in Basel, 1949. Die Personen von links nach rechts sind die Herren Künzli (Interviewpartner des Autors), Gerlicy, Herzstark (sitzend), Asal und Maier.


Abb. 28: «Musterkoffer» für Vertreter. Bei Kundenbesuchen konnte damit die Funktionsweise und die Präzision der CURTA vorgeführt werden.

Zur Erklärung dieses Vorfalls:

Die Finanzgesellschaft hatte recht bald aus verständlichen Gründen finanzielle Probleme. Durch die Ausgabe von neuen Aktien sollte die Contina AG auf eine tragfähigere Basis gestellt werden. Dadurch verloren alle bisherigen Beteiligungen jeglichen Wert. Also auch der namhafte Anteil von Curt Herzstark. Begreiflicherweise war er damit nicht einverstanden, wodurch es zum erwähnten Bruch kam. Mit Hilfe eines renommierten Zürcher Patentanwaltes konnte der Verlust der Patentrechte jedoch verhindert werden. Curt Herzstark arbeitete trotzdem nur noch wenige Jahre als freier Mitarbeiter im Betrieb.
Mein Gespräch war damit noch lange nicht zu Ende. Wir sprachen intensiv auch über das Verhältnis der Liechtensteiner Bevölkerung zu den Schweizer Facharbeitern. Es war kein sehr gutes, ganz im Gegenteil. In einem öffentlichen Vortrag wurde die Forderung aufgestellt « ... unsere Leute so rasch und so gut wie möglich auszubilden ... damit wir die Schweizer wieder loswerden». Das Verhältnis der Belegschaft zum technischen Direktor Herzstark hingegen war ein ausgezeichnetes.
Ich erinnere mich noch, mit welchen Worten mir Curt Herzstark die Adressen meiner Interviewpartner mitteilte: «Arnold Kessler und Hans und Paula Künzli, mit denen müssen Sie sprechen, ohne deren Hilfe wäre die CURTA nicht geworden was sie ist» und fügte lakonisch dazu: «Das waren noch Kerle!»

Curt Herzstark starb am 27. Oktober 1988 in Nendeln, Fürstentum Liechtenstein.




Abb. 29: Fabriksaal der CONTINA AG 1951. Im Hintergrund links der Erfinder Curt Herzstark auf Inspektionsgang


Verzeichnis der verwendeten und zitierten Literatur:

E. Anthes: Die Wiener Ingenieurfamilie Herzstark und die Erfindung der Rechenmaschine CURTA. Blätter für Technikgeschichte, 46./47. Heft, Technisches Museum, Wien 1984/85


K. Holecek: Neue konstruktive Wege im Rechenmaschinenbau; Referat vom 19./20. Oktober 1950, erschienen als Sonderdruck des Heftes Feinwerktechnik, Jg. 55, H. 6, 1951


P. Kradolfer: Einige Rosinen aus der Entwicklung der Rechenmaschinen; Sauerländer Aarau, 1988


P. Kradolfer: Curt Herzstark und seine Taschenrechenmaschine CURTA; backup, 6/88, 1 und 2/89, Sauerländer Aarau, 1988


W. Lind: Büromaschinen Teil I; C.F. Winter'sche Verlagshandlung Füssen, 2. Aufl. 1954


E. Martin: Die Rechenmaschinen und ihre Entwicklungsgeschichte, 1. Band, Reprint der 1. Auflage 1925 mit Nachtrag, Verlagsbuchhandlung B. Köntopp, Leopoldshöhe, o. Jg.


E.E. Wilberg: Die Leibniz'sche Rechenmaschine und die Julius-Universität in Helmstedt, Schriften des Braunschweigischen Hochschulbundes e.V., Band V, Braunschweig 1977


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