Die Rechenmaschine CURTA - Mechanik in vollendeter Form - Peter Kradolfer (5/12)

Die CURTA und ihr Erfinder Curt Herzstark ~ Peter Kradolfer

Mit anderen Worten: statt der Subtraktion 481 - 247 soll die Addition 481 + x ausgeführt werden (vgl. Kasten 1). Mit «Staffelwalze» meint man ein zylindrisches Antriebselement mit unterschiedlich langen, «gestaffelten», aufgesetzten Rippen (vgl. Bilder 3,6 und 8).


Der Erfinder Curt Herzstark hat in seiner Rechenmaschine CURTA beide Ideen auf einmalige Weise kombiniert. Die Fragen «Wozu diente das Prinzip der Komplementaddition?» und «Wie wurde es konstruktiv in der CURTA umgesetzt?» sollen beide im Folgenden beantwortet werden.


In einem meiner Gespräche sagte mir Curt Herzstark zur Komplementaddition in der CURTA: «Eigentlich ist die Subtraktion bei der CURTA ein Betrug, sie subtrahiert gar nicht, sondern addiert bloss. Der Betrug funktioniert aber, und darauf kommt es an». Uns interessiert im Folgenden die technische Realisierung der Idee.




Abb. 7: Links CURTA Modell I (Nr. 4086, 1947). Daneben ein komplett montierter Rundwagen


Wie wurde die Komplementaddition in der CURTA konstruktiv realisiert?


Für die Beschreibung der Konstruktionsidee verwende ich einen Beitrag von Professor Karl Holecek, der an der technischen Hochschule in Wien Feinwerktechnik lehrte. Er sagte dazu im Jahre 1950, Zitat aus [Holecek]: «Eine Rechenmaschine wird also selbsttätig durch Addition subtrahieren, wenn sie an jeder Stelle des Hauptzählwerkes statt der Ziffern des eingestellten Subtrahenden deren Ergänzung zu neun ins Hauptzählwerk additiv überträgt und an der niedrigsten Stelle eine Eins hinzufügt. Das konstruktive Problem besteht nun darin, zweierlei Zahnsysteme wahlweise zur Wirkung kommen zu lassen. Bewegliche Zähne anzuordnen, kam bei der Kleinheit des zur Verfügung stehenden Raumes und auch wegen der dann zu erwartenden Unsicherheit im Betrieb nicht in Betracht. Die Lösung wurde mit einer einfachen Konstruktion gefunden . . . die aus einer starren Vereinigung zweier normaler Staffelwalzen besteht, von denen die eine auf den Kopf gestellt ist».


Bild 8 zeigt eine herkömmliche Staffelwalze und die Bilder 9 und 10 die Komplementärstaffelwalze der CURTA sowie ihre Funktionsweise. Zum Verständnis der Funktionsweise zitiere ich noch einmal [Holecek]: «Die eine Zahngruppe, die der Addition dient, beginnt, wie bei jeder gewöhnlichen Staffelwalze, oben mit einem Zahn und endet unten mit neun Zähnen. Diese Zahnsegmente sind in der Abwicklung (Bild 10 rechts) mit 1 bis 9 bezeichnet. Ihr Abstand in senkrechter Richtung ist natürlich gleich dem Verschiebungsweg der Einstellzahnräder um je eine Einheit.

Abb. 8: Details der Staffelwalzen in einer alten Saxonia (Baujahr 1898). Die Saxonia war anfänglich eine Kopie der Thomasmaschine. Wie diese war sie im Holzkasten montiert, hatte Schiebereinstellung und Staffelwalzen als Antriebselemente





Abb. 9: Staffelwalze der CURTA in Arbeitsstellung. Deutlich zu sehen ist die Komplementärverzahnung. Der Einstellschieber, rechts im Bild, ist auf die Ziffer «4» gestellt. Bei einer Kurbeldrehung im positiven Sinn wird über ein Kegelrädchen die zugehörige Zahlenrolle im Resultatwerk, das sich oben im Rundwalgen befindet, um 4 Einheiten weitergedreht




Die zweite Zahngruppe - die Komplementärverzahnung - ist in die erste eingeschachtelt, und zwar so, dass einundeinhalb Segmentabstände unter jedem Segment der Normalverzahnung ein solches Segment der Komplementärverzahnung liegen, welches das erstere zu neun ergänzt. Durch diese Einrichtung kann man die eingestellte Zahl subtrahieren, indem man einfach die Staffelwalze mittels der Antriebskurbel um einundeinhalb Segmentabstände hochzieht und im gleichen Sinne wie bei der Addition dreht. Dabei wird selbsttätig das 11-stellige Neunerkomplement addiert und die erste Stelle um I erhöht». Bild 10 zeigt hierzu die Details. Zur Erklärung: Bei der CURTA I hat das Resultatwerk 11 Stellen und das Einstellwerk deren 8.


Professor Holecek fährt fort: «Die Komplementärsegmente sind bei der Addition unwirksam, weil sie zwischen den möglichen Stellungen der Einstellzahnräder leer hindurchgehen. Ist aber die Staffelwalze um einundeinhalb Segmentabstände angehoben (vgl. Bild 10 Mitte), dann greift die Komplementärverzahnung in die Einstellzahnräder ein, dreht also jedes Zahnrad des Einstellwerkes nicht um die der eingestellten Zahl entsprechende Anzahl von Zähnen weiter, sondern um deren Ergänzung zu neun. Im Bild 10 kann man das an der Zahl 971 '853 verfolgen.


© Peter Kradolfer 1993
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