Die Rechenmaschine CURTA - Mechanik in vollendeter Form - Peter Kradolfer (4/12)

Die CURTA und ihr Erfinder Curt Herzstark ~ Peter Kradolfer

Abb. 4: Drei Prototypen der CURTA, aufgenommen am Wohnsitz Curt Herzstarks in Nendeln, Fürstentum Liechtenstein, April 1988


Dank der Unterstützung durch ein bedeutendes schweizerisches Patentanwaltsbüro - Büro Isler in Zürich - konnte er wenigstens den Verlust der Patente verhindern. Noch lauteten sie auf seinen Namen und waren der Contina AG nicht abgetreten worden. 1951 ist Herzstark als technischer Direktor zurückgetreten und einige Zeit freier Mitarbeiter geblieben. Das Ende ist rasch beschrieben: 1966 wurde die CONTINA AG von der Firma HILTI aufgekauft und 1970 wurde die Rechenmaschinenfertigung eingestellt. Bis zu diesem Datum wurden rund 80'000 Stück der CURTA I und etwas über 61'000 der CURTA II hergestellt.


Abb. 5: Fabrikgebäude der ehemaligen CONTINA AG in Mauren, Fürstentum Liechtenstein, Zustand April 1988


Soviel zur Person von Curt Herzstark und zur Entstehung der CURTA. Was mich am Leben von Curt Herzstark fasziniert, sind viele Dinge. Einmal ist es die Tatsache, dass ich mit einem Menschen, der in einem Konzentrationslager war, persönlich sprechen konnte. Für mich als Schweizer, der am Ende des Krieges gerade 7 Jahre alt war, ein Erlebnis, das mich einen Teil der Weltgeschichte erstmals erleben liess. Dann ist da aber auch die Person des Erfinders. Ich erstarrte fast in Ehrfurcht, als ich Curt Herzstark zum ersten Mal gegenübersass. In den weiteren Begegnungen hat sich das dann gelegt und wir sind fast so etwas wie Freunde geworden. Am 29. September 1988, es war mein letztes Zusammentreffen mit Curt Herzstark, hat er mir gesagt: «...bewahren Sie mein geistiges Vermächtnis». Ich denke noch heute daran und nehme diesen Wunsch ernst. Da war auch immer die Bescheidenheit, die mir an Curt Herzstark gefiel. Sehr spannend erzählte er davon wie's war, aber nie stellte er seie Leistung in den Vordergrund. Anfänglich glaubte Ich, ein so bedeutender Mann müsse auch begütert sein. Weit gefehlt.

Bereits im ersten Telefongespräch sagte er mir: «Sie werden schon sehen, ich lebe sehr bescheiden». Ja tatsächlich, das stimmte. Viel später versuchte ich dann herauszufinden, wo der Grund für diese einfachen Lebensumstände lag. Es schien nur einen zu geben: das Schicksal des Erfinders schlechthin. Der Erfinder hat die guten Ideen, aber die Innovationen finanziell auswerten - das besorgen andere!



Bau und Konstruktion der CURTA

Allgemeines

Es ist bereits erwähnt worden, dass das Schaltwerk und die Zehnerübertragung über Jahrzehnte hinweg zwei zentrale Probleme des Rechenmaschinenbaus waren. Mit «Schaltwerk» ist das für die Übertragung von Resultaten gewählte grundlegende Konstruktionsprinzip gemeint. Bei allen bis 1947 in grösseren Stückzahlen hergestellten mechanischen Rechenmaschinen wurde mit wenigen Ausnahmen entweder das auf Leibniz zurückgehende Staffelwalzenprinzip oder das durch Odhner und Baldwin zum Erfolg geführte Sprossenradprinzip verwendet. Curt Herzstark jedoch erfand ein neues:

Das Prinzip der Komplementärstaffelwalze.

Dieser Begriff braucht in doppeltem Sinn eine Erklärung. Mit «komplementär» ist ein Rechenverfahren gemeint, das aus einer Addition eine Subtraktion macht.


Abb. 6: Schnittmodell der CURTA mit Zentimeterskala als Grössenvergleich. In der Bildmitte die Komplementärstaffelwalze, darüber die Zehnerglocke.






Kasten 1:



Subtraktion 481-247=234 als dreistellige Komplementaddition

Subtrahend 481
Minuend    247   Neunerkomplement 752
                 (d.h. jede Ziffer wird durch ihre
                 Differenz zu 9 ersetzt)

Addition 752 + 481 = Zwischenresultat 1233

Führende 1 ausserhalb des Zahlenbereichs weglassen und Korrektur der letzten Stelle durch Addition von 1 liefert das korrekte Resultat 234

In symbolischer Schreibweise:
Statt a - b wird, für dreistellige Zahlen, wie folgt gerechnet:
a + (999 - b) = a - b + 999 = a - b + 1000 - 1. Lässt man die führende 1 ausserhalb des Zahlenbereichs weg, die durch zu viel addieren von 1000 erzeugt wird, entsteht a - b - 1. Dieses Zwischenresultat muss um 1 erhöht werden, um das korrekte Schlussresultat a - b zu erhalten.

Ziel dieser scheinbaren Komplikation ist es, keine eigene Mechanik für die Subtraktion verwenden zu müssen (s. u. Curt Herzstark zu diesem Thema).



© Peter Kradolfer 1993
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